Ein auf den ersten Blick faszinierend logisches Argument ist das folgende: Es gibt so wenig Reiche, dass bei diesen steuerlich nichts zu holen sei. Gleichzeitig wird betont, Vermögenssteuern wären nur dann ertragreich, wenn sie die breite Bevölkerung treffen würden. Dieser Auffassung kann nur anhängen, wer keine Vorstellung von der Höhe der Vermögenssubstanz und der Ausgestaltung der Vermögensverteilung hat oder nicht haben will. Entscheidend für das Steuerobjekt Vermögen ist nämlich nicht die Frage wie viele Reiche es gibt, sondern wie hoch deren Vermögen ist!
In einem zweiten Schritt ist es interessant zu wissen, wie dieses Vermögen verteilt ist, damit klar wird wie viele Menschen durch eine entsprechende Besteuerung betroffen wären.
Die Forderung nach Vermögenssubstanzsteuern basiert auf Ideologie, reinem Populismus und einer sachlich nicht fundierten Neiddebatte
Christoph Neumayer, Generalsekretär Industriellenvereinigung (OTS 02.Juni 2014)
„Die vielzitierten ‚Vermögensteuern‘ müssten Mittelstandsteuern heißen. Ansonsten könnten sie nie das nötige Volumen für eine dringend erforderliche umfassende Entlastung des Faktors Arbeit aufbringen.“
Georg Kapsch, Chef der Industriellenvereinigung (OTS 05. Juni 2014)
Die Vermögenssubstanz ist beachtlich
Das Privatvermögen lag in Österreich gemäß einer Schätzung der Universität Linz im Jahr 2013 bei € 1.249 Milliarden. Zum Vergleich: Das entspricht ungefähr der vierfachen Höhe des österreichischen Bruttoinlandsprodukts von 2013. Die Einnahmen aus Steuern und Sozialbeiträgen betrugen im selben Jahr 136,95 Milliarden Euro (vgl. Statistik Austria 2014). Würde die gesamte Privatvermögenssubstanz pro Jahr also mit einem Prozent besteuert, hätte dies für das Jahr 2013 zusätzliche Einnahmen von 12,49 Milliarden Euro, bzw. 9,1 Prozent des Gesamtsteueraufkommens ergeben. Dies ist natürlich kein Vorschlag für eine seriöse und treffsichere Vermögensbesteuerung, es wird jedoch an Hand dieses Beispiels die beachtliche theoretische Dimensionen eines Vermögenssteueraufkommens deutlich. (siehe auch Mythos: „Vermögenssteuern bringen nichts ein“)
Und wie verteilt sich die Vermögenssubstanz?
Basierende auf Daten der Nationalbank wurden von der Universität Linz für das Gesamtvermögen folgende Schätzungen vorgenommen (die auch in folgender Grafik abgebildet sind): Die „Superreichen“, das oberste Prozent, hält ca. 37 Prozent des gesamten Vermögens. Die „Wohlhabenden“, die obersten 2 bis 5 Prozent halten rund 20,8 Prozent des Vermögens. Die „restliche Bevölkerung“, rund 94 Prozent halten rund 42,2 Prozent des Vermögens, wobei auf die untersten 50 Prozent nur mehr 2,2 Prozent des Vermögens fallen. Bei einer Besteuerung der Vermögenssubstanz würden also zweifellos vor allem die Reichsten getroffen werden. Dieses Bild wird auch in der folgenden Graphik noch einmal verdeutlicht, die genau zeigt wie die Vermögenssubstanz verteilt ist.
Wie verteilen sich die Vermögenseinkommen?
Die Vermögenssubstanz ist also offensichtlich sehr ungleich verteilt. Noch gravierender stellt sich aber die Verteilung der Vermögenszuwächse oder Einkommen dar.
Hier kann zwischen Finanzvermögen (Zins- und Dividendenzahlungen, Aktien), Sachvermögen (Grundstücke, Immobilien, Verpachtung) und Immateriellem Vermögen (Patente, Lizenzgebühren) unterschieden werden.
Prinzipiell beziehen rund 80 Prozent der Haushalte irgendeine Form von Vermögenseinkommen. Die generelle Verteilung der Vermögenseinkommen ist jedoch von einer tiefen Ungleichheit gezeichnet. Die obersten 10 Prozent der Haushalte halten hier einen Anteil von annähernd 90 Prozent, das oberste 1 Prozent erreicht hier sogar einen Anteil von mehr als 50 Prozent am gesamten Einkommen. Für das oberste 1 Prozent bedeutet das ein rein leistungsloses Einkommen von 71.188 Euro pro Jahr (vgl. Humer S., Moser M., Schnetzer M., Ertl M., Kilic A. (2014) S. 25-26).
Eklatant sind auch die Unterschiede der verschiedenen Formen von Vermögenseinkommen. Halten bei den unteren 50 Prozent der Haushalte noch 79,2 Prozent Vermögen in Form eines Sparbuchs, so sind es bei Immobilien nur 1,7 Prozent und bei Aktien zum Beispiel schon nur mehr 1,6 Prozent. Fonds, Aktien, Anleihen und anderes Finanzvermögen wird also vor allem von den vermögenden Haushaltsgruppen gehalten. Ähnlich stellt es sich bei Unternehmensbeteiligungen und Immobilien dar. Hier haben rund 68 Prozent der reichsten 5 Prozent der Haushalte Unternehmensbeteiligungen und Immobilien (Hauptwohnsitz) und halten hier einen Anteil von ca. 90 Prozent des Gesamtvermögens, während nur rund 2 Prozent in der unteren Hälfte der Einkommensverteilung Anteile an Unternehmen und 7,5 Prozent ein Eigenheim besitzen (BMASK-Fakten zur Vermögensverteilung in Österreich).
Da also ein Großteil der Bevölkerung – wenn überhaupt – nur in äußerst geringem Ausmaß Aktien, Immobilien oder Unternehmensbeteiligungen besitzt, würde eine Besteuerung dieser Vermögenstitel also die meisten Menschen kaum bis gar nicht betreffen. Ähnliches gilt für die Erbschaftssteuer (siehe dazu den Erbschaftssteuermythos).
Auf nachfolgender Grafik ist die Verteilung der verschiedenen Einkommen noch einmal veranschaulicht. Es zeigt sich, dass in Österreich die Erwerbseinkommen noch zur wesentlichen Einkommensart gehören. Erst in den Top 10 Prozent der Verteilung sind Vermögenseinkommen ein fester Bestandteil des Einkommens. Wobei sich die Verteilung des Großteils des Vermögenseinkommens auf das Top 1 Prozent konzentriert.
Treffen Vermögenssteuern die breite Masse?
Es ist also offensichtlich, dass es nicht nur eine beträchtliche Vermögenssubstanz gibt, sondern dass diese zudem extrem auf wenige Reiche konzentriert ist. Ob die breite Bevölkerung durch Vermögenssteuern belastet wird, hängt folglich in erster Linie von der politischen Ausgestaltung derselben ab. Ist eine Vermögenssteuer so gestaltet, dass nur die reichsten 5 Prozent betroffen sind, so besteuert man immer noch ca. 60 Prozent der gesamten privaten Vermögenssubstanz. Das Argument „Es gibt so wenig Reiche, dass bei diesen steuerlich nichts zu holen sei“ ist schlicht falsch. Tatsächlich ist es genau umgekehrt: Nur bei den Reichen ist viel zu holen, weil diese fast das gesamte Vermögen besitzen. 90 Prozent der Bevölkerung wären von treffsicheren Vermögenssteuern kaum bis gar nicht betroffen.
In den letzten Jahren wurden schon einige Maßnahmen im Bereich der Vermögensbesteuerung neu eingeführt. Zu nennen wäre hier z.B:
- Anhebung der Gewinnbesteuerung von Immobilienveräußerungen auf 25 Prozent
- Einführung einer Kapitalertragssteuer für Aktiengewinne von 25 Prozent
- Schließung von Steuerschlupflöchern bei Stiftungen durch Anhebung der Endbesteuerungssatzes auf 25 Prozent
Bei der Betrachtung der Verteilung dieser besteuerten Vermögenskategorien wird klar, dass hier nur die wirklich reichen Haushalte getroffen werden.
Vermögenssteuern können den Mittelstand also nur dann belasten, wenn die „Superreichen“ als „typischer Mittelständler“ betrachtet werden. Dieses Taktik wird oft bewusst eingesetzt ist aber eine bewusste Irreführung des Begriffs Mitte (siehe auch Mythos: Mittelstand). Es ist ein Argument, das von Lobbyisten gezielt eingesetzt und von Menschen ohne profunde Sachkenntnis guten Gewissens reproduziert wird. Man muss sich bei seinen diesbezüglichen Aussagen genau überlegen, ob man nicht den Spin eines Lobbyisten in die Welt trägt.
- Der Mythos bei Vermögen ist nichts zu holen ist falsch: Selbst wenn man die private Vermögenssubstanz nur mit einem Prozent besteuert, würde es zusätzliche Steuereinnahmen von 9,1 Prozent einbringen.
- Der Mythos „ Es gibt so wenig Reiche, dass bei diesen steuerlich nichts zu holen ist“ ist falsch, weil die wenigen Reichen fast das ganze private Vermögen besitzen. 5 Prozent der Haushalte besitzen ca. 60 Prozent des Vermögens und auf das reichste Prozent der Haushalte entfällt 37 Prozent des gesamten privaten Vermögens.
- Der Mythos „Jede Vermögenssteuer oder Vermögenszuwachssteuer sei eine klassische Mittelstandssteuer“ ist falsch, es kommt auf die Ausgestaltung der Steuer an. Eine zielgerichtete Besteuerung von Vermögen würde den überwiegenden Teil der Bevölkerung kaum bis gar nicht treffen.
- Andreasch, M., Fessler, P., Mooslechner, P., & Schürz, M. (2011). Fakten zur Vermögensverteilung in Österreich. BMASK (Hg.). Sozialbericht, 2012, 247-265.
- Eckersdorfer P., Hallak J., Kapeller J., Schütz B., Springholz F., Wildauer R. (2013); Vermögen in Österreich. Bericht zum Forschungsprojekt „Reichtum im Wandel“.
- Humer S., Moser M., Schnetzer M., Ertl M., Kilic A. (2014); Einkommensverteilung in Österreich. Eine komparative Analyse von Mikrodatensätzen.
- OTS (02.06.2014); Industrie: Neue und höhere Steuern kosten Arbeitsplätze.
- OTS (05.06.2014); Industrie: Vermögenssubstanzsteuern vernichten Arbeitsplätze.
1 comment on “Bei den Reichen ist nichts zu holen, ertragsreiche Vermögenssteuern belasten den Mittelstand” Add yours →
Comments are closed. You can not add new comments.