Die Aussagen führender PolitikerInnen und InteressensvertreterInnen zur Bedeutung von Privatstiftungen in Österreich verdrehen die Wahrheit und führen zu Schlussfolgerungen, die steuerliche Privilegien für diese Konstrukte als notwendig und gerechtfertigt erscheinen lassen.
Steuerbegünstigungen für Privatstiftungen will der Finanzminister nicht antasten, denn diese bzw. die stiftenden Unternehmen und Privaten seien „Leistungsträger“.
(„Der Standard“, 25.11.2009)
„Die 3.100 Stiftungen schaffen und sichern Arbeitsplätze. Alleine 150.000 neue Jobs wurden geschaffen. Insgesamt sind in Österreich über 400.000 Arbeitsplätze durch Privatstiftungen gesichert. Stiftungen sind kein Privileg für Superreiche. Sie sichern Jobs, Wohlstand und leisten einen großen Beitrag für den Kunst- und Kulturstandort. Ich habe daher als Finanzminister großes Interesse, dass das Kapital und Vermögen aus Stiftungen in Österreich bleibt.“
Josef Pröll, Finanzminister (OTS-Aussendung vom 19.5.2009)
„Rund 400.000 Arbeitsplätze werden in Österreich durch Stiftungen gesichert.“
Wolfgang Schüssel („Die Presse“ vom 11.6. 2008)
Zunächst ist es so, dass Stiftungen nicht, wie mit obigen Aussagen suggeriert wird, wirklich 150.000 Arbeitsplätze geschaffen haben. Diese wurden vielmehr in großen Unternehmen1 geschaffen (durch die Investitionsbereitschaft des Managements und vom Gewinn, der mittels des Einsatzes der Arbeitnehmer erwirtschaftet wurde), die lediglich im Eigentum vom Stiftungen stehen.
Die Stiftung als Vermögensverwaltung ist damit nur eine Form des „Haltens von Vermögen“2, und keine Konzernleitung, die hochqualifizierte Arbeitsplätze mit sich bringen würde. Wenn von 400.000 Arbeitsplätzen durch Stiftungen die Rede ist, so würde in Wahrheit kein einziger Arbeitsplatz selbst bei einer Auflösung aller Stiftungen verschwinden. Im Gegenteil, die Unternehmen, in denen diese Arbeitsplätze weiter vorhanden wären, würden von ihren Eigentümern nur wiederum z.B. über Holdinggesellschaften oder direkt über Aktienbesitz gehalten werden.
Gleiches gilt für das Kapital, das Stiftungen halten. Das Realkapital der Unternehmen (Maschinen, Firmengebäude usw.) ist ans Unternehmen gebunden und würde erhalten bleiben, wenn es keine Stiftungen mehr gäbe. Das Realkapital ist außerdem immobil – befindet sich dieses z.B. in Deutschland, so wird es nicht nach Österreich übertragen, nur weil eine Unternehmensbeteiligung in eine österreichische Stiftung eingebracht wird.
Allgemeines
„Eigennützige“ Privatstiftungen existieren in Österreich seit 1993.3 Rechtlich überträgt der/die Stifter/in sein/ihr Vermögen der juristischen Person „Stiftung“, die von einem Stiftungsvorstand geleitet wird. Dennoch hat der/die Stifter/in weitestgehend Kontrolle über sein/ihr Vermögen (über Sonderrechte in der Stiftungsurkunde sowie über diverse „Tricks“4).5 Laufende Einkommen aus der Stiftung können die „Begünstigten“ der Stiftung beziehen, z.B. die Familie des/der Stifters/Stifterin.6 Die Motive zur Gründung einer Stiftung sind zum einen die Steuervorteile (siehe unten) sowie das Zusammenhalten des Vermögens, wenn der/die Stifter/in gestorben ist (z.B. eine Unternehmensbeteiligung).7
Eine Statistik des Verbands Österreichischer Privatstifter zeigt, dass Stiftungsbesitze zu 64 Prozent aus Unternehmensbeteiligungen bestehen, gefolgt von Immobilien und Privatvermögen.
Privatstiftungen wurden 1993 unter einer großen Koalition (SPÖ/ÖVP) mit Finanzminister Ferdinand Lacina eingeführt. Ziel dieses Unterfangens war es, österreichisches Vermögen, welches steuervermeidend über die Schweiz oder Liechtenstein gehalten wurde, wieder dem österreichischen Fiskus zugänglich zu machen. Die steuerlich offenbar attraktive Regelung lockte danach auch zahlreiche Deutsche, u.a. prominent Karl Flick, an, die ihr Vermögen nach Österreich verlagerten.
Mit der Einführung von Stiftungen wurde einerseits „ausländisches“ Vermögen zur Versteuerung nach Österreich geholt, andererseits wurden nun alle vermögenden Inländer ebenfalls mit Steuerprivilegien bedacht (diese hätten ansonsten mehr Steuern bezahlt). Der Nettoeffekt dieser Maßnahme auf das Budget ist unklar, da keine Daten verfügbar sind.8
Sicher ist nur, dass Österreich als „Steueroase“ vermögenden Ausländern hilft, Steuern zu vermeiden. Damit trägt das Land dazu bei, dass eigene wie ausländische vermögende Bürger international geringer besteuert werden.9
Aufgrund der Intransparenzen im Stiftungsrecht und dem daraus folgenden Datenmangel ist keine aktuelle Liste über die größten Privatstiftungen Österreichs verfügbar. Die Werte aus dem Jahr 2004 geben aber ebenfalls einen guten Einblick in die Vermögensstruktur, ist diese nahezu mit jener der reichsten ÖsterreicherInnen identisch: „Zu den großen Stiftern gehören in Österreich der alte Adel (Auersperg, Czernin, Schwarzenberg), viele große Unternehmerfamilien (Essl, Fürnkranz, Hartlauer, Hrachowina, Kapsch, Lugner, Michelfeit, Palmers, Quester, Radatz, Wiesbauer, Wlaschek, Zgonc u.a.m.), aber auch Medienzare (wie Dichand, Falk und Fellner) und Politikerfamilien wie Prinzhorn, Bartenstein, Mitterbauer 10 Dass Stiftungen steuersparend wirken, lässt sich auch daran erkennen, dass ein Vermögen von 70 Mrd. Euro in 3250 Stiftungen gehalten wird und 79 der 100 größten österreichischen Unternehmen direkt oder indirekt von Stiftungen kontrolliert werden.11
Besteuerung
An der Besteuerung von Stiftungen wurden seit ihrer Einführung mehrmals Änderungen vorgenommen. Im Groben gilt, dass bei Gründung einer Stiftung rund 2,5 Prozent des Vermögens als Eingangssteuer bezahlt werden müssen.12 Dafür erkauft sich der/die Stifter/in Steuervorteile, welche Stiftungen sowohl im Vergleich zu natürlichen Personen wie auch zu Kapitalgesellschaften bei Einkünften aus Kapitalerträgen bevorzugen:
- Während der/die Normalbürger/in sofort 25 Prozent KESt[13. Kapitalertragssteuer; fällt z.B. auf die Zinsen eines Sparbuches/Bankkontos an, und wird automatisch von der Bank abgezogen] für seine/ihre Zinsen bezahlt, musste die Stiftung dies nur bei Ausschüttung an die Begünstigten tun. In der Zwischenzeit fiel die Besteuerung der Kapitalerträge komplett aus. Im Jahr 2000 wurde aber eine Zwischensteuer von 12,5 Prozent eingeführt, die von der Stiftung jährlich zu bezahlen ist und im Falle einer mit 25 Prozent KESt belasteten Zuwendung an Begünstigte wieder an die Stiftung refundiert wird. Da diese aber in den meisten Fällen erst Jahre oder Jahrzehnte später stattfindet, ergab sich ein enormer Zinseszinsvorteil. Damit wurde den größten Vermögen auch noch steuerlich zum raschesten Zuwachs verholfen. Mit der letzten Reform des Stiftungsrechts im Jahr 2011 wurde dieser Zinsvorteil nun aber geschlossen und die Zwischensteuer auf 25 Prozent angehoben.
- Bei der Veräußerung (der Verkauf von Unternehmensanteilen13 ) muss eine Stiftung zwar seit der letzten Reform offiziell 25 Prozent bezahlen, kann aber die Besteuerung durch einen regelmäßigen Neuerwerb von neuen Beteiligungen aufschieben14. Hier ein Beispiel: Die Stiftung hat eine qualifizierte Beteiligung an einer GmbH oder AG mit Anschaffungskosten 100 und Verkehrswert 1.000. Wenn die Stiftung die Beteiligung verkauft, realisiert sie stille Reserven von 900. Anstatt darauf unmittelbar Steuern zu zahlen, kann sie die stillen Reserven auf die Anschaffung einer anderen qualifizierten Beteiligung übertragen. Kauft sie also eine neue Beteiligung um 1.000 und überträgt die stillen Reserven auf diese, so hat sie steuerlich Anschaffungskosten von 100 (1.000 abzgl. die übertragenen stillen Reserve), die 900 werden also für die spätere Besteuerung „eingefroren“. Würde also die Stiftung die neue Beteiligung kurz darauf um 1.000 veräußern, hätte sie keine Wertsteigerung realisiert, aber trotzdem 900 zu versteuern (= die stillen Reserven aus der alten Beteiligung), außer sie macht wieder eine Anschaffung einer qualifizierten Beteiligung um die Besteuerung hinauszuschieben.
Im Allgemeinen lässt sich jedoch sagen, dass Privatstiftungen seit 2011 relativ zu natürlichen Personen und Kapitalgesellschaften an steuerlicher Attraktivität verloren haben.15 Dies war jedoch erst aufgrund des politisch gewollten Auslaufens der möglich, welche die relative Steuerlast weiter von Vermögen und Vermögenseinkünften hin zu Einkommen aus Arbeit verschoben hat.
Wie enorm dennoch jeder einzelne Steuervorteil im Einzelfall ist, wird sichtbar, wenn man die Größenordnung des Vermögens in Stiftungen betrachtet. Der ehemalige ÖVP-Politiker Martin Bartenstein (Stiftung 100 Mio. Euro) bekäme, wenn er sein Geld auf einem normalen Sparbuch mit 4 Prozent Verzinsung anlegen würde, 11.000 Euro Zinsen täglich. Ein Monatsgehalt, von dem der/die durchschnittliche Österreicher/in nicht einmal zu träumen wagt. Superreichen dann noch Steuerprivilegien zuzuschanzen entspricht sicherlich nicht dem Gerechtigkeitsbegriff der meisten Menschen.
- Stiftungen sichern weder Arbeitsplätze noch bewahren sie (physisches) Realkapital im Land. Gäbe es keine Stiftungen mehr, wäre alles so wie vorher, nur dass Unternehmen und Vermögen jetzt in anderer Form gehalten würde.
- Ob Privatstiftungen für den österreichischen Staat ein gutes Geschäft sind, kann seriös nicht beantwortet werden, da aufgrund der (gewollten) Intransparenz des Stiftungswesens keine Daten zur Verfügung stehen
- Stiftungen genießen trotz mehrmaliger Änderungen im Steuerrecht noch immer einige steuerliche Privilegien. Vor dem Hintergrund, dass Vermögenseinkünfte in Österreich äußerst gering und Arbeit besonders hoch besteuert wird und dass solche Konstrukte wirklich nur den allerreichsten Österreichern nützen, gibt es keine Argumente für eine Nicht-Antastung diese ungerechten Begünstigungen.
- Der Standard (19.3.2010); Interview mit Werner Doralt: „Die Umverteilung funktioniert nicht“
- Der Standard ( 25.11.2009, aufgerufen am 1.6.2010); „Pröll gegen neue und höhere Steuern“
- Die Presse (22.3.210); „Steuerexperte Doralt kritisiert Stiftungen“
- Die Presse (3.5.2010); Karl E. Bruckner: „Privatstiftungen: Missstände oder Miesmacher?“
- Die Presse (11.6.2008); Gastkommentar von Wolfgang Schüssel: „Den Stiftern das Leben erleichtern“
- Farny et. al. ( AK-Wien 2009): „Stiftungsbesteuerung in Europa“, besonders Kapital 2 und 12
- Höferl, A. und Pöchhacker, P. (Österreichische Gesellschaft für Politikberatung 2004): „Armuts- und Reichtumsbericht Österreich“, ab S.65
- Picek, O. und Schratzenstaller, M. (WIFO 2008): „Ziele und Optionen der Steuerreform: Vermögensbezogene Steuern“
- Webseite der AK-Oberösterreich (27.5.2010, aufgerufen am 7.6.2010); „Steuerprivilegien eigennütziger Privatstiftungen“
- z.B. Erste Bank, Strabag, Andritz, Red Bull, Rauch Fruchtsäfte, welche alle über Stiftungen gehalten werden. ↩
- Andere Formen Vermögen zu halten sind beispielsweise Bargeld zu halten, Einlagen auf einem Bankkonto, Aktien, usw. ↩
- In Österreich haben auch fast alle Stiftungen eigennützigen Charakter, also zur Versorgung der eigenen Familie beispielsweise. In Deutschland hingegen sind aufgrund von weniger laxen Regelungen 95 Prozent aller Stiftungen gemeinnützig. ↩
- z.B. das Halten einer „goldenen Aktie“, die dem Stifter die Kontrolle über das Unternehmen sichert, das Eigentum der Stiftung ist. ↩
- Die Rechte der Stifter und der Stiftungsbegünstigten im Einzelfall werden von den Gerichten noch ausjudiziiert. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. ↩
- Er/Sie selbst darf es nicht sein. ↩
- Um ein Aufteilen des Unternehmens zu verhindern. Vor der Abschaffung der Erbschaftsssteuer war diese ein sehr dominantes Motiv zur Gründung einer Stiftung. ↩
- Univ. Prof. Dr. Werner Doralt schätzt den Nettoeffekt allerdings als negativ auf das österr. Budget ein. ↩
- Dies liegt natürlich nicht im Sinne der wünschenswerten Progressivität eines Steuersystem, d.h. dass vermögende (steuer-leistungsfähige) Personen einen höheren Anteil ihres Vermögens auch als Steuern bezahlen sollen. ↩
- ÖGPP (2004), Armuts- und Reichtumsbericht Österreich, S.66 ↩
- Angaben vom Verband österreichischer Privatstiftungen ↩
- de facto oft weniger, besonders in Relation zum Marktwert, z.B. bei Immobilien ↩
- korrekterweise: „Beteiligungen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften“ ↩
- In einer Personengesellschaft beträgt der Steuersatz für Veräußerungsgewinne 50 Prozent, in einer AG immerhin noch 25 Prozent. ↩
- Karl Bruckner: „Vom Steuerschonmodell ist fast nichts mehr übrig, „Der Standard“ vom 18.10.2011 ↩
Hallo Leute
Sehr interessant. Vielen Dank für die Informationen.
Gibt es zu Fußnote 4 noch ergänzende bzw. genauere Informationen?
Achtung: im zweiten Absatz über dem Abschnitt „fakten“ fehlt eine ganze Zeile (um genau zu sein: es fehlt der Anschluss nach der Zeile mit der Fußnote 15).
LG Burkhard