Erbschafts- und Schenkungssteuer treffen den Mittelstand, Häuslbauer und Familienunternehmen

In der politischen und öffentlichen Debatte ist die Erbschafts- und Schenkungssteuer durch deren Abschaffung diskreditiert worden. Die beharrliche Weigerung einer Neueinführung wird oft mit dem Argument begründet, dass die Erbschafts- und Schenkungssteuer den breiten Mittelstand trifft. Das unhaltbare “Mittelstandsargument” wird ja für beinahe sämtliche Steuern und Abgaben immer wieder ins Treffen geführt. Selten ist das Argument zutreffend, kaum woanders jedoch so absurd, wie bei der Frage der Erbschafts- und Schenkungssteuer.

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„Das käme einer zusätzlichen Sondersteuer für den Mittelstand gleich. Das können‘s in Nordkorea machen, aber nicht bei uns. Nicht mit uns.“
Hannes Rauch, ehemaliger Generalsekretär ÖVP (Der Standard vom 03. Jänner 2012)

Die sogenannte „Millionärssteuer“ ist klassenkämpferischer Populismus. In Wahrheit denken Teile der SPÖ etwa an eine Erbschaftssteuer ab 150.000 Euro. Das trifft in Wahrheit den Mittelstand, das trifft Wohnungs- und Hausbesitzer. Und für einen weiteren Griff in die Taschen der Betriebe und des Mittelstandes bin ich nicht zu haben.“
Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer (OTS-Aussendung vom 7. Mai.2014)

„Vermögenssteuern sind Eigentumssteuern und zielen damit nur auf den Mittelstand ab.“
Wirtschaftsbund, (OTS-Aussendung vom 04. Juli.2014)

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Zunächst sollte festgehalten werden, dass die von der Steuer Betroffenen tatsächlich Erbinnen und Erben sind. Nicht „Häuslbauer“, Unternehmen oder Familien sind also von der Erbschaftssteuer betroffen, sondern lediglich deren Erbinnen und Erben.

Die folgenden Fakten machen klar, dass man den Begriff Mittelstand schon sehr eigenwillig definieren muss, um die Erbschafts- und Schenkungssteuer als Mittelstandssteuer klassifizieren zu können (siehe auch Mittelstandsmythos). Als die Erbschafts- und Schenkungsteuer im Jahr 2007 abgeschafft wurde, galt:

  • 1,3 Prozent der Erbschaften sorgten für rund 50 Prozent des Erbschaftssteueraufkommens
  • Die vier größten Erbschaften sorgten für rund 25 Prozent des Erbschaftssteueraufkommens
  • 2/3 aller Erbfälle waren Erbschaften unter 7300 Euro, das Steueraufkommen dieser 2/3 betrugt im Schnitt
    181 Euro
  • Laut einer Befragung der OeNB (2009) geben 65 Prozent der Bevölkerung an, noch nie etwas geerbt zu haben

Zudem kannte die alte Regelung zahlreiche Ausnahmetatbestände: Sparbuchguthaben waren aufgrund der KESt-Endbesteuerung von der Erbschafts- und Schenkungssteuer befreit. Ebenso Aktien, sofern die Beteiligung nicht mehr als 1 Prozent des Nennkapitals ausgemacht hatte. Es blieb also hauptsächlich Immobilienvermögen als Anknüpfungspunkt.

Weitere Irrtümer im Zusammenhang mit der Erbschaftssteuer

  • Unternehmensübergaben waren wegen der Erbschaftssteuer fast nicht leistbar:

Es gab eine Reihe von Befreiungen und Freibeträge, die zu einer Durchlöcherung der Steuer führten. Etwa für inländische Betriebe und Teilbetriebe, sowie inländische Mitunternehmeranteile und Anteile an Kapitalgesellschaften bei einer Beteiligung von mindestens 25 Prozent, gab es einen großzügigen Freibetrag von 365.000 Euro. Dieser war mehr als ausreichend, um den Löwenanteil der Familienunternehmen in Österreich praktisch gänzlich von der Erbschafts- und Schenkungssteuer zu befreien.

  • Die Erbschaftssteuer kostete mehr als sie einbrachte:

In der Gebührenabteilung der Finanzämter arbeiteten rund 300 Leute, sie waren neben der Erbschaftssteuer noch für die Einhebung zahlreicher anderer Verkehrssteuern zuständig. Die 300 Beamten verdienten rund 10 Mio. Euro im Jahr, alleine das Aufkommen der Erbschaftssteuern betrug das Achtfache.
Laut einer Studie der Wirtschaftsuniversität Wien würde die Besteuerung von Erbschaften, die den Wert von 500.000 Euro überschreiten und mit 2,5 Prozent – ab 950.000 Euro mit 25 Prozent – besteuert werden, ein durchschnittliches jährliches Aufkommen von mindestens 700-900 Mio. einbringen. Mit diesem großzügigen Freibetrag wären nur die oberen 5 Prozent der Erbschaften von der Steuer betroffen. Außerdem wird davon ausgegangen, dass es aufgrund des demographischen Wandels einen Anstieg des übertragenen Vermögens von jährlich 8 Mrd. (2010) auf 20 Mrd. (2030) geben wird. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen nicht nur im Hinblick auf Fragen des Leistungsfähigkeitsprinzips, der sozialen Gerechtigkeit und intergenerationalen Mobilität, sondern auch auf Grund des potentiell daraus resultierenden Aufkommens attraktiv (vgl. Altzinger, Humer, 2013).

  • „Häuslbauer“ waren besonders belastet

Grundbesitz wurde bei der Übertragung bloß mit dem dreifachen Einheitswerte angesetzt. Dieser Einheitswert „liegt in der Regel deutlich unter dem realen Marktwert.“ Die effektive Belastung der Erbinnen und Erben war also weit geringer als die nominellen Steuersätze vermuten ließen. Für die Fragestellung ob diese Steuern den „Mittelstand“ treffen, spielt letztlich die Verteilung des Immobilienvermögens eine zentrale Rolle. Wäre sie tatsächlich eine „Mittelstandssteuer“, müsste die Verteilung des Immobilienvermögens halbwegs gleichmäßig aussehen. Immobilienerbschaften sind in Österreich jedoch extrem ungleich verteilt. Der Gini Koeffizient, ein statistisches Maß zur Darstellung von Ungleichverteilungen, zeigt bei einem Wert von “0” eine absolut gleichmäßige Verteilung an (Jeder Mensch in Österreich würde hier in etwa im selben Ausmaß Immobilienvermögen erben), ein Wert von“1” bedeutet hingegen absolute Ungleichheit (eine Person in Österreich erbt das gesamte Immobilienvermögen, alle anderen erben praktisch nichts). Im Falle der Einkommensverteilung liegen die Gini-Koeffizienten in Österreich bei den unselbstständig Beschäftigten rund um 0,39. Anders sieht es jedoch bei der Vermögensverteilung aus. Hier liegt der Gini-Koeffizient bei ca. bei 0,7. Nach einer repräsentativen Umfrage der OeNB liegt dieser bei Immobilienerbschaften mit einem Wert von 0,93 sogar noch höher.

fakten

  • Eine Handvoll Menschen erbt in Österreich beinahe das gesamte Vermögen, während alle anderen praktisch leer ausgehen. Die vier größten Erbschaften sorgen für rund 25 Prozent des Erbschaftssteueraufkommens.
  • Bei Betrachtung der Verteilung von Erbschaften und des daraus resultierenden Steueraufkommens wird unbestritten klar: Wenn es so etwas wie eine „Mittelstandssteuer” überhaupt gibt, dann ist die Erbschafts- und Schenkungssteuer in jedem Fall das Gegenteil davon.
  • Das Steueraufkommen kann bei einem Freibetrag von 500.000 Euro und progressiver Besteuerung zwischen 700 und 900 Mio. Euro betragen.

 

quellen

  • Altzinger, W., & Humer, S. (2013). Simulation des Aufkommens verschiedener Erbschaftsbesteuerungen
  • Andreasch, M., Fessler, P., Mooslechner, P., & Schürz, M. (2011). Fakten zur Vermögensverteilung in Österreich. BMASK (Hg.). Sozialbericht, 2012, 247-265.
  • Bundesministerium für Finanzen: Erbschaftssteueraufkommen 2006
  • Fessler, P., Mooslechner, P., & Schürz, M. (2010). Immobilienerbschaften in Österreich. Geldpolitik & Wirtschaft Q, 2, 34-55.
  • Humer S., Moser M., Schnetzer M., Ertl M., Kilic A., (2014); Einkommensverteilung in Österreich Eine komparative Analyse von Mikrodatensätzen.
  • Marterbauer, M. (Wifo), Schürz M. (OeNB); Die Mär von der Belastung des Mittelstands, in Standpunkte 2007/1:
  • Schürz M. (2009); VWL-Perspektivenseminar Soziale Gerechtigkeit
  • Schürz M., Schlager Ch. (2008); Dimension sozialer Ungleichheit, OeNB Proceedings Band No. 16
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