„Wer viel verdient, zahlt viel mehr Steuern!“
In der öffentlichen Debatte um die gerechte Verteilung von Lohneinkommen wird oft behauptet, dass nur die besser Verdiendenden zur Finanzierung des Staates und seiner Dienstleistungen herangezogen würden. So findet sich in der Tageszeitung „Die Presse“:
„Wer mehr als 40.000 € brutto im Jahr verdient zählt zu den zehn Prozent der Spitzenverdiener und zu jener Gruppe die 58% der Steuerlast trägt“
(„Die Presse“ 8.10.09)
Des öfteren wird suggeriert, dass die zehn Prozent mit den höchsten Lohneinkommen 58 Prozent der gesamten Steuerlast tragen. Diese Darstellung ist unrichtig! Sie beruht auf drei falschen Argumenten:
- Einkommensteuern sind die einzigen Steuern
Wenn in den Medien von Steuerbelastung die Rede ist, sind meist nur die Einkommensteuern gemeint. Diese sind progressiv gestaffelt. Höhere Einkommen zahlen also überproportional mehr als niedrigere. Was meist nicht dazugesagt wird ist,, dass die Einkommensteuer nur einen überschaubaren Anteil am gesamten Abgabenaufkommen ausmacht. Im Jahr 2013 waren es nicht mehr als 20,5 Prozent. Nun könnte argumentiert werden, dass das gesamte Abgabenaufkommen ein schlechter Maßstab ist, weil auch alle von Unternehmen bezahlten Abgaben darin enthalten sind. Unterscheidet man zwischen Abgaben die von natürlichen Personen bezahlt werden (Einkommensteuer, Umsatzsteuer etc.) und Abgaben die von Unternehmen1 geleistet werden (Körperschaftsteuer, Dienstgeberbeitrag zur SV etc.), dann ergibt sich folgendes Bild: ca. 70 Prozent der Abgaben werden von natürlichen Personen entrichtet, ca. 30 Prozent von Unternehmen. Der Anteil der Einkommensteuern an den von natürlichen Personen geleisteten Abgaben, macht genau 31 Prozent aus. Wenn also in den Medien von der Steuerbelastung gesprochen wird, ist meist nicht einmal ein Drittel der Abgaben gemeint. Wie ist das möglich?
Der mit Abstand größte Brocken am Abgabenkuchen entfällt auf die Sozialversicherungsbeiträge2, die im Jahr 2013 33,5 Prozent betrugen. Beinahe ebenso viel, wie an Einkommensteuern in die Staatskassen kommt, tragen die Verbrauchssteuern (z.B. Umsatzsteuer) mit einem Anteil von über 23,2 Prozent bei. Alle Einkommensgruppen zahlen sowohl Sozialversicherungsabgaben als auch Verbrauchsabgaben. In Grafik 1 sind die Größenordnungen der wichtigsten Steuertypen dargestellt.
Wenn nun von Seiten der Medien behauptet wird, eine kleine Gruppe trage die gesamte Steuerlast und die unteren Einkommen zahlen keine Steuern, so ist das eine stark verzerrte Darstellung, die suggeriert, die Einkommensteuer sei die einzige relevante Abgabe. Die Einkommensteuer belastet auf Grund ihrer progressiven Wirkung zweifellos höhere Einkommen stärker, macht aber nur ein Fünftel des gesamten Abgabenaufkommens bzw. rund 30 Prozent des Abgabenaufkommens natürlicherer Personen aus. Sprich: 70 Prozent der Steuern werden von allen bezahlt.
2. Geringverdienende sind SystemschmarotzerInnen
Rund 41 Prozent der Lohnsteuerpflichtigen haben so geringe Einkommen, dass sie die Einkommensteuergrenze von ca. 1200 € pro Monat gar nicht überschreiten. In diese Kategorie fallen teilweise schwer arbeitende Vollzeit-ArbeitnehmerInnen in schlecht bezahlten Berufen wie Pflege oder Handel. Ca. 20 Prozent aller Vollzeit-Erwerbstätigen verdienen weniger als ca. 1200 € brutto/Monat und zahlen daher „nur“ Sozialversicherungsbeiträge, aber keine Lohnsteuer. Dies trifft vor allem aber auch auf Personen mit niedrigen Pensionen, sowie Teilzeit-ArbeitnehmerInnen und geringfügig Beschäftigten zu. Weder die schlecht verdienenden Vollzeitbeschäftigten, noch die PensionistInnen oder die Teilzeitbeschäftigten sind SystemschmarotzerInnen, denen man die Steuerlast aufbrummen sollte.
3. Betrachtung von absoluten Zahlen, aber nicht der relativen Belastung der Betroffenen
Gerne wird in dieser Debatte auch auf die Methode zurückgegriffen den Steuerbeitrag in absoluten Zahlen darzustellen, um diesen möglichst hoch erscheinen zu lassen. Doch eine solche Darstellung ist ebenfalls verkürzt, weil sie das steuerpolitische Leistungsfähigkeitsprinzip ignoriert. Es ist logisch, dass die oberen Einkommensgruppen einen absolut höheren Beitrag leisten. Die entscheidende Frage ist aber, wie stark die Einkommensgruppen relativ gesehen von der Steuerbelastung betroffen sind.
Wie eine umfangreiche Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Guger et al 2009) zeigt, ist die Belastung der unselbständig Beschäftigten über alle Einkommensgruppen hinweg tatsächlich nahezu gleich. Jene zehn Prozent mit den geringsten Einkommen leisten rund 37,3 Prozent ihres Gesamteinkommens an Steuern und Abgaben. Die Belastung der reichsten zehn Prozent liegt mit rund 40 Prozent nur geringfügig darüber. In Grafik 2 wird ersichtlich, dass alle Dezile (= zehn gleich große Personengruppen nach Einkommenshöhe) insgesamt sehr ähnliche relative Steuerbelastungen aufweisen.
„Die Steuern und Abgaben wirken in Österreich kaum umverteilend.“
(Guger et al 2009, S.5)
Die Realität steht also im krassen Gegensatz zu der weit verbreiteten Meinung, dass die progressive Einkommensteuer zu einem progressiven Steuersystems führt. Denn tatsächlich wird diese progressive Wirkung der Einkommensteuer durch die regressive Wirkung der Sozialversicherungsbeiträge und indirekter Steuern, wie der Umsatzsteuer, weitgehend aufgehoben. Menschen mit einem geringeren Einkommen zahlen zwar tatsächlich weniger Einkommensteuer. Die Höchstbemessungsgrundlage der SV-Beiträge3 stellt aber eine unsoziale Maßnahme dar, welche die oberen Einkommen deutlich entlastet (je höher das Einkommen, desto geringer fällt der prozentuelle Anteil des Sozialversicherungsbeitrages aus).
Karl Bruckner, Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder spricht daher sogar von „einer Flat Tax mit Freibetrag für hohe Einkommen“
(Format 11.9.2008)
Da Menschen mit einem geringen Einkommen einen größeren Teil ihres Einkommens ausgeben (müssen) sind sie auch stärker von Verbrauchssteuern, wie der Umsatzsteuer betroffen. Umverteilung erfolgt in Österreich daher faktisch nur über die Ausgabenseite, während die Belastung durch Steuern und Abgaben für alle (unselbständig Beschäftigten[1]) in etwa gleich hoch ist. Und mittlerweile ist sogar die Tageszeitung „Die Presse“ bereit, das anzuerkennen: „In Summe liegt die Abgabenquote für das unterste Drittel der Nicht-Selbständigen Haushalte bei 34 Prozent, für das oberste mit 37 Prozent nur wenig darüber.“
- Der Mythos „Die unteren Einkommen zahlen keine Steuern“ stimmt nicht, weil es noch viele weitere Steuern als Einkommensquelle für den Staat gibt.
- Die progressiven Einkommensteuern machen nicht einmal ein Fünftel des gesamten Steueraufkommens aus, bzw. nicht einmal ein Drittel des Steueraufkommens natürlicher Personen
- Wer mehr verdient zahlt nicht mehr Steuern!
- Die untersten zehn Prozent der Einkommensverteilung leisten 37,3 Prozent ihres Gesamteinkommens an Steuern und Abgaben. Jene 10 Prozent mit den höchsten Einkommen leisten rund 40 Prozent ihres Gesamteinkommens an Steuern und Abgaben.
- Wer mehr als 40.000 € brutto im Jahr verdient zählt noch lange nicht zu jenen 10 Prozent mit den höchsten Einkommen, denn die obersten zehn Prozent der ganzjährig-vollzeit Erwerbstätigen verdienen mindestens 67.400 € brutto im Jahr4.
- Umverteilung erfolgt in Österreich faktisch nur über die Ausgabenseite.
- Berka, C., S. Humer und M. Moser (Wien, Univ. Dipl. Arb. 2009); „Verteilungswirkungen der staatlichen Einnahmenseite am Beispiel des österreichischen Sozialversicherungs- & Lohnsteuersystems. Simulation von Reformvorschlägen auf Basis einer 1% Stichprobe der Lohnsteuerstatistik 2006.“
- Format (11.9.2008); „Wie uns der Staat auspresst – Und was wir durch eine Steuerreform zurückhaben wollen“
- Die Presse (27.11.2009); „Raus aus der Schere, rein in die Falle“.
- Die Presse (8.10.2009); „Steuern: Wenig Futter für die Steueresel“
- Guger, A. et al (WIFO 2009); „Umverteilung durch den Staat in Österreich“
- Statistik Austria; Lohnsteuerstatistik 2013
- Statistik Austria; Steuern und Sozialbeiträge in Österreich. Einnahmen des Staates 2013.
- In der Steuerstatistik 2013 wurden zu dieser Unterscheidung folgende Steuercodes den natürlichen Personen zugerechnet: D51AG + D51AA + D211 + D214A + D214E + D214D + D214F + D6112 + D6113 + D214AK*0,7 + D51AF + D91AA + D51BG + D214CA + D29AD + D29AE + D214CB + D29AC + D51AE und folgende Steuercodes den Unternehmen: D6111 + D51BF + D29CA + D29CD + D51BE + D51BD + D214AK*0,3 +D51BG ↩
- für jenen Teil des Monatsbruttoeinkommens der über 4.440 € liegt muss kein SV-Beitrag gezahlt werden. ↩
- Aufgrund der äußerst geringen Bedeutung von vermögensbezogenen Steuern in Österreich kann davon ausgegangen werden, dass die steuerliche Belastung von Menschen, die einen großen Teil ihrer Einkünfte über Vermögenszuwächse generieren, geringer ist, als die Belastung derer, deren Einkommen sich auf den Arbeitslohn beschränkt. ↩
- Und selbst wenn man auch PensionistInnen und jene Erwerbstätigen, die nur teilzeitbeschäftigt sind und/oder deren Erwerbsbiografie von Arbeitslosigkeit unterbrochen wird, hinzu nimmt, so muss man immer noch mindestens 52.000 € brutto im Jahr verdienen um zu den 10% der SpitzenverdienerInnen zu gehören. F.Schellhorn hat offensichtlich „übersehen“, dass auch das 13. und 14. Gehalt zum Jahreseinkommen zählt. (1 Prozent-Stichprobe der Lohnsteuerstatistik 2013) ↩
Das Argument „Umverteilung erfolgt in Österreich faktisch nur über die Ausgabenseite.“ wurde in diesem Artikel nicht beleuchtet u vermittelt mir daher den Eindruck der Staat kümmere sich nicht ausreichend darum einen Ausgleich für schlechter Verdienende zu schaffen. Dem ist meines Wissens aber so, da es Transferleistungen gibt die vorallem das untere Drittel der Einkommen betrifft. Insofern ist eine Steuer technische Betrachtung alleine irreführend. Wenn ich mich richtig erinnere waren in dem zitierten Presseartikel auch diese Transferleistungen in die Analyse integriert. Auch halte ich nicht nur eine prozentuelle sondern absolute Volumina bei der Steuerbelastungsanalyse für sinnvoll. Jemand mit 70k Einkommen im Jahr versorgt nämlich dann mehrere Niedrigverdiener (Sozialsystem, Transferleistungen) mit seinem Steueranteil u das lässt sich in absoluten Zahlen besser darstellen. Es unterstreicht damit auch, dass Österreich ein Sozialstaat ist denke ich. Vlt liege ich ja mit diesen Ansichten falsch, in jedem Fall wäre es zwecks einer neutraleren Betrachtung sinnvoll dies im gleichen Artikel zu betrachten.
Guter Artikel. Die Umverteilung in Österreich muss auch nicht extra vertieft werden, da hier ja ein Formulierungsmythos auf den Grund gegangen werden soll. Im Großen und Ganzen ist das Einkommen der einzige Unterschied. Und Neid gründet nunmal nur auf einen Unterschied. Daher wird in der Steuerdebatte stets auf das, was unterscheidet Bezug genommen, um wohl für die nächste Wahl das Volk bei der Stange zu halten.
Eine Neiddebatte ist es durch und durch deswegen, da die Einkommensteuer nicht im Bezug zu den anderen Steuern genommen wird. Diese Verbrauchssteuern zahlen nämlich alle. Daher sind diese für den normalen Menschen unvermeidbaren Steuern auch nicht relevant in der Betrachtung des Unterschieds. Allerdings nehmen diese Steuerverklärer auch nur selten den Bezug dazu, dass nur über das Einkommen ein soziales Leben möglich ist oder überhaupt kein Leben.
Um meinen Kommentar zu verstärken möchte ich die Leser auch darauf hinweisen, dass durch das Kapital ein besserer Preis je Leistung erwirkt werden kann, als wenn es kein Kapital gibt oder es so gering ist, dass es als keines zählen kann. Ich sag nur: Rabatte. Jemand mit viel Geld bekommt Waren und Dienstleistungen viel billiger als jemand ohne überbordendes Geld. Bei Unternehmen zeigt sich das am deutlichsten: Konzerne können mit der Strombesteuerung sogar noch eine Einkommensquelle aufmachen, sogar wenn das nicht zu ihrem Geschäftsbereich gehört, und der Meister oder Mittelständer oder gar Selbständige bekommt, wenn überhaupt nur, einen kleinen Rabatt auf seine fest nachgefragte Stromleistung.
In Deutschland ist es so, dass nicht das ganze Einkommen gleich mit einem Steuersatz besteuert wird. Für jeden Euro gilt ein eigener Steuersatz. Ab 50000 wird der nächste Euro ein bisschen höher besteuert als der 50000te. Daran sieht man eigentlich die verrückte Lage. Reiche können garnicht so besteurt werden, dass sie arm werden. Daher halte ich die geführte Neiddebatte auch als purer Wahnsinn. Würde man allerdings sachgerecht argumentieren, also bei „Steuern“ genauer „Einkommensteuer“ sagen, dann würde wohl sehr schnell Kritik am Einkommen auftreten, was widerum die Lohnfrage, besser die Frage nach dem Lohn, hervorbringen wird. Ich weiß aus Deutschland, dass diese Frage für jeden Politiker unangenehm ist. Selbst diejenigen Politiker, die das kritisieren, wollen nichts durch den Staat vorschreiben oder bewirken lassen und schieben es gerne auf die Leute zurück.
Im Artikel der Presse wird eindeutig von der Einkommenssteuer und keiner anderen gesprochen. Diese Daten zeigen doch :
1.) Es gibt im Arbeitnehmerbereich eine funktionierende Umverteilung von Reich zu Arm
2.) Das Problem ist, dass Gutverdienende immer weniger werden. Das mag jetzt den einen oder anderen mit Schadensfreude erfüllen, ist aber bei nüchterner Betrachtung ein großes Problem für Arm und Reich, denn viele Gutverdienende bedeuten mehr Geld und mehr mögliche Transferleistungen auf mehr Schultern verteilt. Eine Win/Win Situation für alle!!
3.) Die SV Abgabe ist keine Steuer! 20% ist für das Leistungsspektrum meines Erachtens angemessen zumal es auch bei diese Abgabe eine soziale Staffelung gibt.
4.) zur Deckelung der SV Abgaben: Der Vollständigkeit halber wäre es dem Artikel zuträglich gewesen was mit dem Löwenanteil der SV Abgabe passiert. Er finanziert zum Gutteil das Pensionssystem.
D.h.: Von der Deckelung „profitiert“ der Spitzenverdiener nicht, denn er bekommt für seine SV Pension nur den ihm zustehenden Anteil aus der Höchstbemessungsgrundlage. Insofern ist eine Erhöhung der Höchstbemessungszulage sogar für die Zukunft kontraproduktiv, weil dann höhere Pensionen an „Reiche“ zu zahlen sind.
Offensichtlich ist der Name der Homepage Programm: hier werden Mythen erdacht.